Anforderungen an das Testament

Das Erbrecht ist ein bedeutender Teil der Nachlassplanung. Dieser wird oft vernachlässigt, bis es zu spät ist. Ein Testament ist dabei nicht nur für vermögende Personen von Belang, es betrifft alle.
Doch welche Anforderungen müssen bei einem Testament eingehalten werden? Und welche Pflichtteile gelten seit der Erbrechtsrevision vom 01. Januar 2023?


Gesetzliche Erbfolge:

Wer in der Schweiz kein Testament verfasst, begünstigt automatisch, d.h. von Gesetzeswegen seine gesetzlichen Erben (sog. Intestaterbfolge).

Das schweizerische Erbrecht – und somit die gesetzliche (dispositive) Erbfolge – orientiert sich am sog. Parentelsystem. Dabei gilt, dass nach Art. 457 ZGB die erste Parentel die nächsten Erben die Nachkommen sind. Sofern keine Nachkommen (d.h. weder Kinder, noch Enkel, Urenkel etc.) vorliegen, so kommt die zweite Parentel zum Zuge.[1]

Wenn der Erblasser keine Nachkommen hinterlässt, so ist gesetzlich geregelt (Art. 458 ZGB), dass die Erbschaft an den Stamm der Eltern gelangt. Zu diesem Stamm gehören sämtliche Angehörige, welche direkt über die Eltern verbunden ist (d.h. Eltern, sofern keine vorhanden sind, die Geschwister und deren Nachkommen). Falls auch in der zweiten Parentel keine Erben vorhanden sind, gelangt das Erbe an die Dritte und letzte, gesetzlich relevante Parentel.[2]

Nach Art. 459 ZGB gilt, dass wenn der Erbe weder Nachkommen noch Erben des elterlichen Stammes hinterlässt, gelangt die Erbschaft an den Stamm der Grosseltern. Dazu zählen die Grosseltern, falls keine vorhanden sind, die Nachkommen der Grosseltern, was bedeutet, dass Tanten, Onkel, Cousins, Cousinen und deren Nachfolge als gesetzliche Erben eintreten.[3]

Durch den Grundsatz, dass es keine erbenlosigkeit gibt, tritt das Gemeinwesen in die Stellung der Erben, falls auch keine Verwandten in der dritten Parentel gefunden werden. (Art. 466 ZGB).[4]

Ausgenommen vom Parentelsystem, aber nicht ausgenommen von der Erbenstellung sind die Ehegatten und überlebenden eingetragenen PartnerInnen nach Art. 462 ZGB.

 

Gewillkürte Erbfolge:

Wer nicht will, dass die soeben erläuterte gesetzliche Erbfolge eintritt, kann ein Testament (Verfügung von Todes wegen) verfassen. Damit dies gültig erfolgen kann, muss nach Art. 467 ZGB der Erblasser urteilsfähig, und das 18. Altersjahr (Volljährigkeit) zurückgelegt haben.[5]

Es gibt folgende Möglichkeiten: Letztwillige Verfügung (nach Art. 467 ZGB), Erbvertrag (im Sinne von Art. 468 ZGB), oder Errichtung einer Stiftung von Todes wegen (Art. 81 ZGB, Art. 493 ZGB).

All diese Formen sind an erhöhte Anforderungen an die Verfügungsform gebunden.

 

Die Verfügungsformen

Das Testament erfordert nach Art. 498 ff. ZGB eine bestimmte Form. Diese lauten wie folgt:

  • Öffentliche Beurkundung (Art. 499 ZGB)

  • Eigenhändige Verfügung (Art. 505 ZGB)

  • Mündliche Verfügung (Art. 506 ZGB)

Der Erblasser muss den Inhalt des Testaments zwingend selbst festlegen. Dies ist eine sog. Bestimmungspflicht, welche nicht übertragen werden kann (Prinzip der materiellen Höchstpersönlichkeit).[6]

 

Öffentliche Beurkundung nach Art. 499 ZGB

Die öffentliche Beurkundung erfordert die Mitwirkung einer Urkundsperson und zweier unabhängigen Zeugen. Somit ist es die wohl sicherste Möglichkeit, den letzten Willen mitzuteilen und gleichzeitig zu gewährleisten.[7]

Der Erblasser wird hierbei durch eine fachkundige Person beraten und wird dadurch vor übereilten Entscheidungen geschützt. Dabei soll der Erblasser mittels Beratung durch eine fachkundige Person vor übereilten Entscheidungen geschützt werden.[8] Der Nachteil dieser Form der Verfügung von Todes wegen dürfte wohl darin liegen, dass es die wohl teuerste Variante ist, ausserdem ist es sehr umständlich (Termin bei einer Urkundsperson), und die Zeugen, sowie der Notar kennen den Inhalt der Verfügung.[9]

 

Eigenhändige Verfügung nach Art. 505 ZGB

Die eigenhändige Verfügung ist die einfachste und unkomplizierteste Möglichkeit, über das Schicksal seines Nachlasses zu verfügen. Sie ermöglicht es, eingenständige ohne Mitwirkung Dritter, letztwillig zu verfügen.[10]

Was unbedingt beachtet werden muss, ist, dass das gesamte Testament (von Datum, über Verfügung bis zur Unterschrift), zwingend handschriftlich sein muss. Dies ist erforderlich, um die Identität des Erblassers, durch den individuellen Charakter der Schrift zweifelsfrei feststellen zu können.[11]

Short-Facts:

  • Eigenhändigkeit schliesst Computergeschriebenes Testament aus, es muss zwingend von Hand geschrieben sein;

  • Eigenhändigkeit schliesst auch das Mitschreiben durch einen Bekannten / Verwandten aus, Handschrift des Erblassers erforderlich (auf Klage hin ungültig);

  • Unterschreiben, sonst Ungültigkeit des Testaments;[12]

  • Datum: Gültig ist auch bspw.: Weihnachten 2024;[13]

  • Möglichkeit der Hinterlegung (kein Formerfordernis und freiwillig) nach Art. 505 Abs. 2 ZGB (die Kantone haben dafür nach Art. 504 ZGB zu sorgen, dass dies bei einer Amtsstelle oder beim Beamten aufbewahrt wird; im Kanton Luzern kann dies beim Teilungsamt getan werden).[14]

 

Mündliches Testament nach Art. 506 ZGB

Beim mündlichen Testament handelt es sich um die Ausnahme der Formerfordernis der vorgehenden Verfügungsformen. Das sog. Nottestament dient nur als Ergänzung der ordentlichen Verfügungsformen.[15]

Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein mündliches Testament zulässig ist:

  1. Errichtung eines Testaments nach den ordentlichen Verfügungsformen ist nicht möglich,

  2. dies infolge einer ausserordentlichen Situation, welche dem Erblasser subjektiv verunmöglicht, eine letztwillige Verfügung im Sinne der ordentlichen Verfügungsformen zu errichten,

  3. diese Verfügung muss der Erblasser vor zwei Zeugen erklären und sie beauftragen, seiner Verfügung die nötige Beurkundung zu verschaffen.

Als ausserordentliche Umstände nennt das Gesetz (beispielhaft und nicht abschliessend) folgende Umstände: Nahe Todesgefahr, Verkehrssperre, Epidemien oder Kriegsereignisse.[16] Das Vorliegen dieser Voraussetzungen dürfte jedoch selten gegeben sein, sodass auf die ordentlichen Verfügungsformen zurückgegriffen werden sollte.

 

Grenzen der Verfügungsfreiheit:

Der Erblasser kann nicht einfach so über dessen Nachlass verfügen, er unterliegt gewissen Grenzen. Die Grenzen finden sich im Pflichtteilsrecht, welche jeweils ½ der gesetzlichen Erbquote entsprechen (Art. 471 ZGB).

Beispiel:

Ein Erblasser hat zwei Kinder und eine Ehefrau, sein Vermögen beläuft sich auf 100'000.-.

  • Gesetzliche Erbquote:

    • Ehegatten: 1/2 (sofern mit Nachkommen geteilt werden muss):

    • Nachkommen: jeweils 1/4

  • Pflichtteile:

    • Ehegatten: 1/4: 25'000.-

    • Nachkommen: Jeweils 1/8: Jeweils 12'500.-

  • Verfügbare freie Quote: 50'000.-

Der Erblasser kann nun über die freie Quote frei verfügen, ohne dass dabei Pflichtteile verletzt werden würden.

Es besteht weiter die Möglichkeit, dass im Voraus (durch Erbverzichtsvertrag Art 495 ZGB oder Ausschlagung Art. 566 ZGB) auf den Pflichtteil verzichtet wird.[17]

Wird der Pflichtteil verletzt, wird die Verfügung nicht einfach ungültig oder nichtig, sie muss im Sinne von Art. 522 ZGB von den Betroffenen angefochten werden. [18]

 

Fälle von (Un-)Gültigkeit nach Art. 519 f. ZGB 

BGE 88 II 67: Ein Brief an die Bank als Verfügung von Todeswegen, wobei eine Frau einen Brief an die Bank schrieb, mit den Worten: «Ich wünsche, dass er (Cousin) bei meinem Tod in den Besitz des Dossiers gelangt»;

Das Bundesgericht ging hierbei davon aus, dass ein Brief an die Bank als rechtsverbindliche Vermögensverschiebung bzw. eine klare Anweisung sei, welche den Formerfordernissen des Testaments entspricht (da handschriftlich).

BGE 56 II 245, E. 2: Eine Postkarte wurde als zulässiges Medium zur Erstellung eines Testaments angenommen, da die Formerfordernis der Handschriftlichkeit vorhanden war;

BGE 40 II 190: Hierbei hat der Erblasser nicht das Testament selbst, sondern nur den Umschlag des Testaments unterschrieben. Dies führte zur Ungültigkeit, da kein offensichtlicher Zusammenhang zwischen dem Umschlag und dem Inhalt festgestellt werden konnte (Testament).

 

Neues Erbrecht:

Seit dem 01.01.2023 gelten neue Bestimmungen bezüglich der Pflichtteile.
Bis Ende 2022 galt, dass die Nachkommen 3/4 des gesetzlichen Erbanspruchs pflichtteilsgeschützt war. Gemäss altem Erbrecht kam den Eltern ein pflichtteilsgeschützter Erbanspruch von 1/2 und dem Ehepartner bzw. der eingetragene Partner ebenfalls einen pflichtteilsgeschützen Erbanspruch von 1/2. Dies ergab sich aus aArt. 471 ZGB.

 

Übersicht neue Rechtslage:

Die neuen Pflichtteile nach Art. 471 ZGB gelten nun seit dem 01.01.2023 und lauten wie folgt:

  • Nachkommen: Neuer Pflichtteilsgeschützter Anteil ½ von gesetzlicher Erbquote

  • Eltern: Kein Pflichtteilsgeschützter Anspruch mehr

  • Ehegatten / eingetragene Partner: Unverändert 1/2 von gesetzlicher Erbquote     

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[1] Brazerol Riccardo, OFK-Orell Füssli Kommentar, ZGB Kommentar Schweizerisches Zivilgesetzbuch, 4. Aufl., 2021, N2 zu Art. 457 ZGB

[2] Brazerol Riccardo, OFK-Orell Füssli Kommentar, ZGB Kommentar Schweizerisches Zivilgesetzbuch, 4. Aufl., 2021, N1 ff. zu Art. 458 ZGB

[3] Brazerol Riccardo, OFK-Orell Füssli Kommentar, ZGB Kommentar Schweizerisches Zivilgesetzbuch, 4. Aufl., 2021, N1 ff. zu Art. 459 ZGB

[4] Brazerol Riccardo, OFK-Orell Füssli Kommentar, ZGB Kommentar Schweizerisches Zivilgesetzbuch, 4. Aufl., 2021, N1 zu Art. 457 ZGB

[5] Kipfer Alex, OFK-Orell Füssli Kommentar, ZGB Kommentar Schweizerisches Zivilgesetzbuch, 4. Aufl., 2021, N1 ff. zu Art. 467 ZGB.

[6] Badertscher Pia, OFK-Orell Füssli Kommentar, ZGB Kommentar Schweizerisches Zivilgesetzbuch, 4. Aufl., 2021, N5 zu Art. 498 ZGB.

[7] Dorjee-Good Andrea / Dardel Daniela, CHK – Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Erbrecht Art. 457-640 ZGB, 4. Aufl., 2023, N2 zu Art. 499 ZGB.

[8] Dorjee-Good Andrea / Dardel Daniela, a.a.O.

[9] Peter Breitschmid (Hrsg.), St. Galler Studien zum Privat-, Handels- und Writschaftsrecht, Testament und Erbvertrag, Praktische Probleme im Lichte der aktuellen Rechtsentwicklung, 1991, S. 31.

[10] Dorjee-Good Andrea / Dardel Daniela, CHK – Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Erbrecht Art. 457-640 ZGB, 4. Aufl., 2023, N1 zu Art. 505 ZGB.

 [11] Dorjee-Good Andrea / Dardel Daniela, CHK – Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Erbrecht Art. 457-640 ZGB, 4. Aufl., 2023, N2 zu Art. 505 ZGB.

[12] Dorjee-Good Andrea / Dardel Daniela, CHK – Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Erbrecht Art. 457-640 ZGB, 4. Aufl., 2023, N8 zu Art. 505 ZGB.

[13] Dorjee-Good Andrea / Dardel Daniela, CHK – Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Erbrecht Art. 457-640 ZGB, 4. Aufl., 2023, N7 zu Art. 505 ZGB.

[14] Dorjee-Good Andrea / Dardel Daniela, CHK – Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Erbrecht Art. 457-640 ZGB, 4. Aufl., 2023, N11 zu Art. 505 ZGB; siehe Teilungsamt: https://www.stadtluzern.ch/dienstleistungeninformation/61?dtFilterText=

[15] Badertscher Pia, OFK-Orell Füssli Kommentar, ZGB Kommentar Schweizerisches Zivilgesetzbuch, 4. Aufl., 2021, N2 zu Art. 506 ZGB.

[16] Badertscher Pia, a.a.O.

[17] Wildisen Christoph, CHK – Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Erbrecht Art. 457-640 ZGB, 4. Aufl., 2023, N4 zu Art. 470 ZGB

[18] Fankhauser Roland, CHK – Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Erbrecht Art. 457-640 ZGB, 4. Aufl., 2023, N5 zu Art. 522 ZGB.


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