Lockerungen des Lärmschutzes / Ausweisung von Bauzonen: Revision des Umweltschutzgesetzes

Seit Januar 2025 ist klar: Die vom Parlament im September 2024 beschlossenen Lockerungen betreffend Lärmschutz werden in Kraft treten. Die Folgen für den Wohnungsbau und die teils blockierten Bauprojekte werden in diesem Beitrag kurz beleuchtet.


Lockerung des Lärmschutzes (Art. 22 USG):

Die Schweiz steht, insbesondere in den städtischen Gebieten, vor einem akuten Wohnraummangel. In diesem Zusammenhang werden schon seit einiger Zeit diverse Diskussionen geführt, wie der Lärmschutz gelockert werden könnte, damit beispielsweise auch an verkehrsreicheren Strassen Wohnbauten realisiert werden könnten. Dementsprechend wurden im vergangenen Jahr diverse Erleichterungen betreffend Lärmschutz durch National- und Ständerat beschlossen.

Aktuelle Rechtslage

Die aktuellen Lärmschutzvorschriften bestehen aus dem aktuellen Umweltschutzgesetz, sowie den zugehörigen Verordnungen. Dabei werden klare Grenzwerte gesetzt, die die Bauvorhaben entsprechend einschränken. Dies soll sicherstellen, dass Bewohner vor gesundheitsschädlichem Lärm geschützt werden.

Gemäss der sog. Lüftungsfensterpraxis, welche von rund der Hälfte der Kantone eingeführt wurde, genüge es bereits, wenn die Immissionsgrenzwerte nicht an allen, sondern lediglich an einem (zum Lüften geeigneten) Fenster jedes lärmempfindlichen Raums eingehalten werden. Dies widerspricht und verletzt jedoch gemäss Bundesgericht (BGE 142 II 100) Bundesrecht, da das Vorgehen der Kantone den Gesundheitsschutz aushöhlen würde.

Mit diesem Urteil blockierte das Bundesgericht auf einen Schlag diverse Bauprojekte, die versuchten, der Wohnraumknappheit entgegenzuhalten.

Die bisherige Rechtslage verlangte somit, dass die Immissionsgrenzwerte an sämtlichen Fenstern von lärmempfindlichen Räumen eingehalten werden. (Art. 22 Abs. 1 USG; Vgl. BGE 142 II 100, E. 4.7)

Hiervon können Ausnahmen vorgesehen werden, sofern die Räume zweckmässig angeordnet und die notwendigen zusätzlichen Schallschutzmassnahmen getroffen werden (Art. 22 Abs. 2 USG).

Neue Rechtslage (Art. 22 Abs. 2 USG):

Gemäss dem revidierten Umweltschutzgesetz (Änderung vom 27.09.2024) sieht neu Art. 22 Abs. 2 lit. a USG vor, dass die Baubewilligung auch bei der Nichteinhaltung der Immissionsgrenzwerte erteilt werden kann, wenn:

  • bei jeder Wohneinheit zur Be- und Entlüftung der lärmempfindlichen Räume eine kontrollierte Wohnraumlüftung installiert wird (Ziff. 1),

  • mindestens die Hälfte der lärmempfindlichen Räume über ein Fenster verfügt, bei dem die Immissionsgrenzwerte eingehalten sind (Ziff. 2) oder

  • mindestens ein lärmempfindlicher Raum über ein Fenster verfügt, bei dem die Immissionsgrenzwerte eingehalten sind, sowie ein privat nutzbarer Aussenraum zur Verfügung steht, bei dem die Immissionsgrenzwerte eingehalten sind (Ziff. 3; verschärfte Lüftungsfensterpraxis).

Durch diese Änderung werden die Anforderungen an den Lärmschutz bei Neubauten erheblich reduziert, da einerseits die vom Bundesgericht abgelehnte Lüftungsfensterpraxis (in einer strengeren Version) verschriftlicht wird (Ziff. 3) und andererseits neu die Möglichkeit geschaffen wird, dass keinerlei Grenzwerte eingehalten werden müssen, sofern eine kontrollierte Wohnraumlüftung installiert wird.

Zu den Varianten:

Gemäss Ziff. 1 wird neu die Baubewilligung ebenfalls erteilt, wenn bei lärmempfindlichen Räumen die Grenzwerte nicht eingehalten werden, jedoch eine kontrollierte Wohnraumlüftung installiert ist. Das bedeutet konkret, dass es neu möglich sein wird, auch ein Schlaf- oder Wohnzimmer auf einer lärmbelasteten Gebäudeseite zu realisieren. Dies war bis anhin nicht möglich.

Gemäss Ziff. 2 können lärmempfindliche Räume auch ohne Wohnraumlüftung auf einer lärmbelasteten Gebäudeseite geplant werden, sofern die Hälfte dieser Räume über Fenster verfügen, welche die Grenzwerte einhalten.

Gemäss Ziff. 3 wird nun ermöglicht, dass auch einzelne Schlaf- und Wohnzimmer nach der von Lärm betroffenen Gebäudeseite ausgerichtet werden können, wenn mindestens ein Fenster vorhanden ist, welches die Immissionsgrenzwerte einhält und ein privat nutzbarer Aussenraum zur Verfügung steht, bei welchem die Grenzwerte eingehalten werden.

Fazit:

Damit wird erreicht, dass künftig auch Wohnraum an lärmbelasteten Standorten gebaut bzw. realisiert werden können, an denen dies bis anhin nicht zugelassen worden wäre. Zusätzlich wird damit auch Rechtssicherheit geschaffen, da die Kriterien für die Erteilung von Baubewiligung in lärmbelasteten Gebieten klar formuliert wird.

 

Es ist fraglich, inwiefern diese Lockerung auch zu einer wesentlichen Mehrbebauung und Verdichtung führen wird. Insbesondere, da das Argument der Lärmbelastung meist nur zur Verhinderung von Wohnbauten benutzt wurde, ohne dass wirklich ein Interesse der Einsprecher an der Einhaltung von Lärmbelastungsgrenzwerten bestand. Somit besteht die Gefahr, dass sich die Argumentation der Einsprecher auf andere Bereiche ausdehnen bzw. verschieben wird.

 

Die neue Rechtslage bringt somit einige Vereinfachungen, an lärmbelasteten Standorten zu bauen und es wird einfacher werden, die Vorgaben gemäss Art. 22 Abs. 2 USG zu erfüllen. Bis die neue Rechtslage umgesetzt wird, dürfte es wohl noch eine gewisse Zeit dauern, jedoch ist abzuwarten, wie sich die Änderung auf die schweizerische Baulandschaft auswirken wird.

Ausweisung von Bauzonen (Art. 24 USG):

Weiter wird auch Art. 24 USG geändert, welcher es nun erlaubt, bei der Ausweisung von Bauzonen und der Erweiterung des Wohnraums in lärmbelasteten Gebieten durch Umnutzung oder Verdichtung von den Belastungsgrenzwerten abzuweichen, sofern

  • die Siedlungsentwicklung ein überwiegendes Interesse aufweist (Art. 24 Abs. 3 Lit. a),

  • ein öffentlicher Freiraum zur Erholung zu Fuss erreichbar ist (Art. 24 Abs. 3 lit. b) und

  • Massnahmen festgelegt werden, die in akustischer Hinsicht zu einer angemessenen Wohnqualität beitragen (Art. 24 Abs. 3 lit. c).

Fazit:

Es können demnach auch Bauzonen in Lärmbelasteten Gebieten ausgewiesen werden, wenn die Planungswerte nicht eingehalten werden, sofern die in Art. 24 Abs. 3 USG erwähnten Voraussetzungen erfüllt sind.


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