Rechte am Arbeitsplatz: Mobbing, Diskriminierung, Belästigung und Hierarchiekonflikte

Mobbing, Diskriminierung oder Belästigung am Arbeitsplatz? Welche Schutzpflichten hat der Arbeitgebende und welche Rechte hat der Arbeitnehmende?


Rechte und Pflichten: Ein Recht auf Schutz durch den Arbeitgeber?

Einleitung

Das Arbeitsverhältnis bringt nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten mit sich, sowohl für Arbeitgebende wie auch für Arbeitnehmende. Eine dieser Pflichten ist die Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin im Bereich Mobbing, Diskriminierung und Belästigung. Welche Massnahmen müssen von den Arbeitgebenden vorgenommen werden? Welche Rechte haben Arbeitnehmende, wenn diese Schutzpflichten verletzt werden? Dieser Blogbeitrag soll eine kurze Übersicht über die wichtigsten Aspekte zum Thema Schutz durch den Arbeitgebenden und mögliche Konsequenzen bei der Verletzung ermöglichen.

Rechte und Pflichten im Allgemeinen:

Grundsätzlich besteht die Hauptpflicht der Arbeitgeberin in der Bezahlung des Lohns, während die Arbeitnehmenden zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung verpflichtet sind. Darüber hinaus gibt es Nebenpflichten, insbesondere die Fürsorge- und Schutzpflichten der Arbeitgeberin. Das schweizerische Obligationenrecht enthält zahlreiche Schutzbestimmungen zugunsten der Arbeitnehmenden. So verpflichtet das geltende Recht die Arbeitgeberin zur Fürsorge für die Gesundheit und die Persönlichkeit der Mitarbeitenden (Art. 328 OR). Dazu gehören präventive Massnahmen wie Schulungen, klare Verhaltensrichtlinien oder die Einrichtung interner Anlaufstellen für Beschwerden.

Mobbing am Arbeitsplatz

Nicht jeder Konflikt ist gleich Mobbing. Mobbing liegt vor, wenn eine Person systematisch und über längere Zeit hinweg feindseligem Verhalten ausgesetzt wird, um sie sozial oder beruflich auszugrenzen. Das Bundesgericht definiert Mobbing als "systematisches, feindliches, über einen längeren Zeitraum anhaltendes Verhalten, mit dem eine Person an ihrem Arbeitsplatz isoliert, ausgegrenzt oder gar entfernt werden soll."

Beispiele dazu sind:

  • Angriffe auf die Mitteilungsmöglichkeiten: Unterbrechen, anschreien, vorenthalten von Informationen

  • Angriffe auf die sozialen Beziehungen: Ignorieren, ausgrenzen, isolieren

  • Angriff auf das soziale Ansehen: Lächerlich machen, Gerüchte verbreiten, beleidigen

  • Angriffe auf die Berufs- und Lebenssituation: Zuweisung ernierirgender Arbeiten, ungerechtfertigte Kritik, Entzug wichtiger Aufgaben

  • Angriffe auf die Gesundheit: Androhung von Gewalt, sexuelle Belästigungen

Diskriminierung und Belästigung

Diskriminierung bedeutet eine "Verletzung der Wertschätzung einer Person als gleichwertiger Mensch." Ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld sollte nicht nur selbstverständlich sein, sondern ist auch rechtlich vorgeschrieben.

Pflichten der Arbeitgeberin bei Mobbing und Belästigung

Die Arbeitgeberin hat eine gesetzliche Fürsorgepflicht (Art. 328 OR). Mobbing stellt eine Verletzung der Persönlichkeit und Gesundheit der betroffenen Person dar. Daher muss die Arbeitgeberin Massnahmen zur Prävention und Intervention ergreifen. Eine Vernachlässigung dieser Pflichten kann arbeitsrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

  • Prävention: Förderung eines respektvollen, achtsamen Arbeitsklimas durch Information und Verhaltensanweisungen.

  • Massnahmen bei erfolgtem Mobbing und Diskriminierung: Sobald Mobbing bekannt wird, ist eine umfassende Abklärung erforderlich. Falls nötig, kann eine (fristlose) Kündigung gegenüber der mobbenden Person erfolgen. Unterlässt die Arbeitgeberin angemessene Massnahmen, kann sie für die gesundheitlichen- und finanziellen Folgen haftbar gemacht werden.

Praxisbeispiele

Entschädigung wegen Mobbing: Ein Urteil aus dem Kanton Waadt vom 29. November 2022 sprach einem Arbeitnehmenden eine Entschädigung von zwei Millionen Franken zu, weil die Arbeitgeberin für psychisches Mobbing verantwortlich gemacht wurde, da keine Massnahmen von Seiten der Arbeitgeberin erfolgten.

Missbräuchliche Kündigung nach Mobbing: Ein ausländischer Arbeitnehmer wurde von seinem Vorgesetzten rassistisch herabgewürdigt. Die Arbeitgeberin ergriff keine ausreichenden Massnahmen und kündigte dem Betroffenen (statt demjenigen, von welchem aus die Mobbinghandlungen erfolgten) wegen Leistungsabfall und Krankheit aufgrund der Mobbing- und Diskriminierungssituation. Das Gericht entschied, dass die Kündigung missbräuchlich war und sprach ihm eine Entschädigung von fünf Monatslöhnen zu.

Herabwürdigung aufgrund des Geschlechts: Eine Arbeitnehmerin wurde nach einer internen Umstrukturierung mit sexistischen Äusserungen von ihrem Vorgesetzten konfrontiert. Er behauptete, dass «sie sich nur so verhalte, weil sie eine Gebärmutter habe». Als sie sich bei der Arbeitgeberin über die Diskriminierung beschwerte, erhielt sie die Kündigung. Das Bundesgericht stellte keine Missbräuchlichkeit der Kündigung fest, betonte aber, dass eine Klage nach dem Gleichstellungsgesetz gerechtfertigt gewesen wäre.

Rechte von Arbeitnehmenden

Arbeitnehmende, die von Mobbing oder Belästigung betroffen sind, haben verschiedene rechtliche Möglichkeiten:

Leistungsverweigerung bei unzumutbaren Arbeitsbedingungen (Art. 324 OR): Wenn die Mobbingsituation so schwerwiegend ist, dass die Arbeitsleistung unzumutbar wird, kann der oder die Betroffene die Arbeit verweigern, ohne den Lohnanspruch zu verlieren. Voraussetzung dafür sind:

  • Verletzung von Schutzpflichten des Arbeitgebenden

  • Weiterarbeit stellt eine akute Gefahr für die Gesundheit oder Persönlichkeit des Arbeitnehmenden dar

  • Arbeitnehmender hat den Arbeitgebenden unverzüglich über die Einstellung der Arbeit informiert

Fristlose Kündigung: Falls die Arbeitgeberin ihre Fürsorgepflicht schwerwiegend verletzt oder selbst Mobbing betreibt, kann eine fristlose Kündigung durch den Arbeitnehmenden gerechtfertigt sein. Dies setzt voraus, dass Mobbing massiv und über längere Zeit stattfindet, ein Eingreifen der Arbeitgeberin ausbleibt und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses somit als unzumutbar gilt. Es besteht nach Art. 337b OR ein Anspruch auf Schadenersatz gegenüber dem Arbeitgebenden, sofern die fristlose Kündigung gerechtfertigt ist. Es kann dabei aber zu Unsicherheiten kommen, da der Arbeitnehmende beweisen muss, dass die fristlose Kündigung seinerseits gerechtfertigt ist.

Anzeige bei einer Behörde: Arbeitnehmende können Verstösse gegen arbeitsrechtliche Schutzvorschriften bei der zuständigen Behörde melden. Diese kann bei festgestellten Pflichtverletzungen intervenieren und Massnahmen anordnen. Der Vorteil in der Anzeige bei einer Behörde statt einer Klage bei Gericht (oder Schlichtungsversuch bei der Schlichtungsbehörde) ist, dass die Konfrontation und Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber vermieden werden kann. Anlaufstelle in Luzern

Strafanzeige: In besonders schweren Fällen kann Strafanzeige gegen die mobbenden Personen gestellt werden. Je nach Art der Handlungen kommen Tatbestände wie Körperverletzung (Art. 123 StGB), üble Nachrede (Art. 173 StGB) oder Nötigung (Art. 180 StGB) in Betracht.

Schadenersatz und Genugtuung: Falls Mobbing oder Belästigung finanzielle oder gesundheitliche Schäden verursacht, können Betroffene eine Schadenersatzklage gegen die Arbeitgeberin oder gegen Einzelpersonen einreichen. Sollte kein materieller Schaden entstanden sein, kann unter Umständen eine Stresshaftungsklage oder ein Anspruch auf Genugtuung (gemäss Art. 47 OR und Art. 49 OR) geltend gemacht werden. Geht das Mobbing vom Arbeitgebenden selbst aus, kann ein Anspruch auf Schadenersatz nach Art. 97 OR (Vertragsverletzung) bestehen. Geht der Schaden von einem anderen Arbeitnehmenden aus, kann dennoch gegen den Arbeitgebenden ein Anspruch aus Art. 101 OR (Hilfspersonenhaftung) entstehen. Gegenüber dem mobbenden Mitarbeiter selbst, kann Anspruch auf Schadenersatz nach Art. 41 OR (ausservertraglich) geltend gemacht werden. 

Fazit:

Auch wenn das schweizerische Recht den Begriff des Mobbings nicht direkt definiert, bestehen umfassende Schutzpflichten für Arbeitnehmende. Arbeitgebende sind nach Art. 328 OR und Art. 6 ArG verpflichtet, die Persönlichkeit und Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu schützen. Eine Vernachlässigung dieser Pflichten kann schwerwiegende rechtliche Konsequenzen haben.  


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