Überbauungsziffer
Mit dem Ziel einer schweizweiten Harmonisierung der Baubegriffe, hat der Kanton Luzern diverse Begriffe im Planungs- und Baugesetz (PBG) & Planungs- und Bauverordnung (PBV) geändert. Eine der bedeutendsten Änderungen betrifft die Ausnützungsziffer, die durch die Überbauungsziffer abgelöst wurde. Dieser Beitrag zeigt die wichtigsten Änderungen.
Hintergrund
Der Kanton Luzern ist 2005 der Interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe (IVHB) beigetreten. Zweck der IVHB ist es, durch die Harmonisierung der Baubegriffe eine schweizweit einheitliche Bauordnung zu erreichen, damit alle Kantone die entsprechenden Begriffe und Messweisen gleich verstehen. Im Kanton Luzern wurde die IVHB mit der Totalrevision des Planungs- und Baugesetzes (PBG) und der Planungs- und Bauverordnung (PBV) per 1. Januar 2014 umgesetzt. Aufgrund der kantonalen Revision kamen auch alle Luzerner Gemeinden in die Pflicht, ihre Bau- und Zonenreglemente/-ordnungen den neu eingeführten Begriffen – und den damit verbundenen Systemwechsel – bis spätestens Ende 2023 anzupassen (§ 224 PBG).
Von der Ausnützungsziffer zur Überbauungsziffer: Die Unterschiede
Sowohl die Ausnützungsziffer als auch die Überbauungsziffer dienen als Berechnungsgrundlage zur Bestimmung der erlaubten Gebäudedimension / Gebäudevolumens.
Die ehemalige Ausnützungsziffer nutzte als Berechnungsgrundlage das Verhältnis sämtlicher Nutzflächen auf allen Geschossen eines Gebäudes zur Grundstückfläche (Ausnützungsziffer = Geschossflächen / Grundstückfläche).
Diese neue Überbauungsziffer berechnet sich nicht nach den Geschossflächen, sondern nach dem Verhältnis der anrechenbaren Gebäudefläche zur anrechenbaren Grundstückfläche (Überbauungsziffer = Gebäudefläche / Grundstückfläche; vgl. § 25 PBG, § 12 PBV). Berechnet wird die Gebäudefläche, indem der Umfang sämtlicher Gebäudeteile – auch Balkone oder andere vorspringende Gebäudeteile auf darüberliegenden Stockwerken – berücksichtigt werden. Als anrechenbare Gebäudefläche gilt die Fläche innerhalb der projizierten Fassadenlinie, § 12 Abs. 2 PBV. Vereinfacht ausgedrückt, kann man sich die Gebäudefläche als eine aus der Vogelperspektive projizierte Fläche auf dem Boden vorstellen. Diese Gebäudefläche wird als Fussabdruck bezeichnet, welcher im Verhältnis zur Grundstückfläche die Überbauungsziffer ergibt.
Da die Nutzflächen auf allen Geschossen (Gebäudeflächen) bei der Überbauungsziffer nicht mehr als Berechnungsgrundlage dienen, spielt es im Unterschied zur Ausnützungsziffer somit keine Rolle mehr, wie viele Stockwerke gebaut werden und ob alle Stockwerke auch den maximal zulässigen Fussabdruck ausnutzen. Das Gebäude hat lediglich die vorgegebene maximale Gesamthöhe einzuhalten. Die Bestimmung der maximal zulässigen Gebäudehöhe sowie der Überbauungsziffer liegt im Kompetenzbereich der Gemeinde, welche dies in ihrem Bau- und Zonenreglement definiert. Die Überbauungsziffer wird abhängig vom Zonentyp und in der Regel aufgrund einer Quartieranalyse festgelegt.
Auswirkungen der Überbauungsziffer auf die Bauweise
Aufgrund der veränderten Berechnungsweise lässt es die Überbauungsziffer zu, dass innerhalb der erlaubten Gesamthöhe alle Stockwerke den Fussabdruck voll ausschöpfen. Somit lässt sich das Bauvolumen mit der Überbauungsziffer somit nur dann voll ausnutzen, wenn alle Stockwerke gleich gross sind. Balkone sind dem Fussabdruck hinzuzurechnen, wenn sie mehr als 1.5 m über die Fassade ragen und mehr als ein Drittel der Fassadenlänge einnehmen. Grössere, vorgelagerte Balkone würden in den Fussabdruck miteinberechnet und somit zu Verlust an Wohnfläche führen. Dementsprechend kann davon ausgegangen werden, dass anstatt Balkone zunehmend Loggien innerhalb des Fussabdrucks gebaut werden, um das Gebäudevolumen dennoch maximal ausnutzen zu können.
Folglich werden architektonische Spielereien wie verschachtelte Bauten oder Einschnitte durch die Überbauungsziffer weniger attraktiv. Bauexperten erwarten deshalb einen vermehrt kubusförmigen Baustil. Einstöckige Einfamilienhäuser werden vermutlich zum Ausläufermodell. Die Gemeinden können einer übermässig homogenen Bauweise entgegenwirken, indem sie Vorschriften zur Fassadenhöhe, Geschossigkeit oder Dachgestaltung erlassen.
Insgesamt begünstigt die Überbauungsziffer möglichst hohe und kompakte Bauformen und fördert eine verdichtete Bauweise.
Quellen:
https://qualitaet-emmen.ch/wp-content/uploads/2020/11/Flyer_ORP_Gestaltungsentwurf_%C3%9CZ.pdf
https://bau-immobilienrecht.ch/de/detail/ueberbauungsziffer-anstelle-ausnuetzungsziffer/
https://www.adligenswil.ch/public/upload/assets/5089/Flyer_Ortsplanung%20Adligenswil_2023.pdf?fp=1
https://www.stadtluzern.ch/_docn/3338545/IVHB.pdf
https://www.stadtluzern.ch/_docn/4902091/Beilage_16_Anpassung_Baubegriffe_-_orientierend.pdf