Beitragspflicht im Stockwerkeigentum

Es kommt vor, dass ein Stockwerkeigentümer seiner Pflicht zur Beitragszahlung nicht nachkommt. Sollte dies der Fall sein, kann die Gemeinschaft oder der Verwalter ein Grundpfand errichten, dabei stellt sich jedoch die Frage, wie sich die Frist nach Art. 712i ZGB berechnet wird. Das Bundesgericht hat sich nun erstmalig zu dieser Frage geäussert.


Kurzübersicht:

Stockwerkeigentum stellt eine gute und meist günstigere Alternative zum Hauskauf dar. Unterhaltskosten wie Dachsanierungen, Fassadensanierungen können dabei geteilt werden. Dies wird mit sog. Beitragsforderungen bezahlt. Es kommt jedoch vor, dass ein Stockwerkeigentümer dieser Pflicht nicht nachkommt und die Beiträge nicht bezahlt. Sollte dies der Fall sein, kann die Gemeinschaft oder der Verwalter ein Grundpfand errichten, dabei stellt sich jedoch die Frage, wie sich die Frist nach Art. 712i ZGB berechnet wird. Diese Frage wurde in der Praxis unterschiedlich beantwortet. Nun hat sich das Bundesgericht erstmalig, im Entscheid BGer 5A_357/2022, zu dieser Frage geäussert. Das Bundesgericht bestätigt, dass jener Lehrmeinung Vorzug zu geben sei, wonach die Dreijahresfrist durch Rückrechnung ab Stellung des Begehrens, um Eintragung des Gemeinschaftspfandrechts zu berechnen sei und nicht nach jener Lehrmeinung, welche die Frist mit Rechnungsjahren bestimmt.

Was ist Stockwerkeigentum?

Das Stockwerkeigentum stellt nach dem Wortlaut von Art. 712a ZGB ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück dar, der dem Miteigentümer ein Sonderrecht einräumt, gewisse Gebäudeteile ausschliesslich zu nutzen und auszubauen.[1]

  • Stockwerkeigentumsanteile werden als eigene Grundstücke behandelt;[2]

  • Jeder Stockwerkeigentümer hat somit einen Miteigentumsanteil am gesamten Grundstück. Er verfügt über eine bestimmte Wertquote (Verhältnis zwischen Wert des Grundstücks und Wert des eigenen Teils);[3]

  • Dabei ist das Sonderrecht, bestimmte Teile ausschliesslich zu benutzen oder innen auszubauen, unteilbar mit dem Miteigentumsanteil verknüpft.[4]

Das bedeutet, dass man nicht das gesamte Gebäude bzw. Haus kauft, sondern nur einen Anteil dessen. Diese Entscheidung kann mehrere Vorteile mit sich bringen (u.a. geringere Kosten, geringerer Aufwand).

Solange der Stockwerkeigentümer die anderen Eigentümer in der Ausübung ihrer gleichen Rechte nicht stört, ist der einzelne Stockwerkeigentümer grundsätzlich frei, sein Eigentum zu verwalten, zu benutzen oder bauliche Veränderungen vorzunehmen (hinsichtlich Innenausbau)[5]. Er ist verpflichtet - insbesondere beim Innenausbau und sonstigen baulichen Veränderungen - auf die Nachbaren Rücksicht zu nehmen. Bei Verletzung der nachbarrechtlichen Rücksichtnahme, stehen diverse Rechtsbehelfe zur Verfügung.[6] 

Begründung des Stockwerkeigentums

Das Stockwerkeigentum entsteht durch die Eintragung ins Grundbuch (Art. 712d Abs. 1 ZGB). Voraussetzung für die Eintragung ist das Vorliegen eines Rechtsgrundes (Vertrag oder Erklärung des Alleineigentümers). Dabei wird im Grundbuch die Wertquote eingetragen, damit klar ist, dass ein Miteigentumsanteil am Gesamtgrundstück vorliegt und welcher Teil davon dem jeweiligen Stockwerkeigentümer zukommt.[8]

 

Die gemeinsame Verwaltung und Benutzung

Nach Art. 712a ZGB ist der einzelne Stockwerkeigentümer frei, über seine eigenen Räume zu verfügen. Bei Verwaltung und Benutzung des gesamten Grundstücks sieht das Gesetz in Art. 712g ff. ZGB bestimmte Regeln vor.[9]

 

Nach Art. 712h Abs. 1 ZGB müssen die Stockwerkeigentümer die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums, sowie die Kosten der gemeinschaftlichen Verwaltung nach Massgabe der eigenen Wertquote übernehmen. In Abs. 2 findet sich eine exemplifikatorische Aufzählung von gemeinschaftlichen Kosten und Lasten.[10] Demnach gehören zu den gemeinschaftlichen Kosten:

  • Auslagen für laufenden Unterhalt, Reparaturen und Erneuerungen der gemeinschaftlichen Teile des Grundstücks und Gebäudes;

  • Kosten der Verwaltungstätigkeit einschliesslich der Entschädigung des Verwalters;

  • Öffentlich-rechtliche Beiträge und Steuern;

  • Zins- und Amortisationszahlung an Pfandgläubiger, denen die Liegenschaft haftet oder denen sich die Stockwerkeigentümer solidarisch verpflichtet haben.

Diese Kosten, können mit Hilfe einer Beitragsforderung gedeckt werden. Dabei wird periodisch ein bestimmter Betrag bezahlt, welcher für den Unterhalt der gemeinschaftlichen Bauteile und Verwaltung bestimmt ist.

Gesetzliches Pfandrecht nach Art. 712i ZGB

Das Grundpfandrecht dient als Sicherung der Beitragsforderungen der Stockwerkeigentümergemeinschaft gegenüber des Stockwerkeigentümer. Dieser Schutzzweck besteht, weil der Gesetzgeber keine Solidarität der Stockwerkeigentümer gegenüber der Stockwerkeigentümergemeinschaft eingeführt hat. Die Beitragsforderung ist die Hauptfinanzierungsquelle der Stockwerkeigentümergemeinschaft für die laufenden Verwaltungs- und gemeinschaftlichen Kosten. Ein säumiger Stockwerkeigentümer könnte die Gemeinschaft somit schädigen, weshalb eine Gemeinschaft über ein wirksames Zwangsmittel verfügen muss.[11] Das Pfandrecht soll somit die Gemeinschaft schützen, damit nicht ein einzelner Stockwerkeigentümer die Gemeinschaft schädigen kann.

Klage auf Eintragung des Pfandrechts

Die Klage auf Eintragung erfolgt im ordentlichen Verfahren und kann von der Stockwerkeigentümergemeinschaft oder von einem Vertreter eingeleitet werden. Aktivlegitimiert ist somit die Stockwerkeigentümergemeinschaft, sowie der Verwalter, welcher von der Versammlung dazu ermächtigt worden sein muss.[12] Passivlegitimiert ist der Stockwerkeigentümer, dessen Stockwerkanteil belastet wurde. Dies gilt auch, wenn er nicht Schuldner der unbezahlten Beitragsforderung ist (beispielsweise beim Verkauf des Stockwerkeigentums), wonach dies selbst dann zutrifft, wenn der Anteil verkauft, aber nicht eingetragen wurde und die Käuferin seither als nicht eingetragene Eigentümerin sämtliche Beitragsleistungen bezahlt hat.[13]

 

Die Zeitliche Voraussetzung

Nach Gesetzeswortlaut von Art. 712i ZGB hat die Gemeinschaft für die auf die letzten drei Jahre entfallenden Beitragsforderungen Anspruch, auf «Errichtung eines Pfandrechts an dessen Anteil» (Grundpfand i.S.v. Art. 793 ff. ZGB).

Das Bedeutet, die Stockwerkeigentümergemeinschaft kann gemäss Art. 712i Abs. 1 ZGB für die letzten drei Jahre die Beitragsforderungen anmelden.

Die genaue Fristberechnung (der Dreijahresfrist) war bis anhin in der Lehre umstritten. Das Bundesgericht äussert sich nun in einem höchstrichterlichen Entscheid (BGer 5A_357/2022) zu der Frage, wie sich die Dreijahresfrist nach Art. 712I Abs. 1 ZGB berechnen lässt.[14]

 

Bisherige Lehrmeinungen:

Ein Teil der Lehre plädierte dafür, dass für den Endzeitpunkt die Eintragung im Grundbuch massgeben sei, während sich der Anfangszeitpunkt nach den letzten drei abgeschlossenen Rechnungsjahren bestimme.[15]

Der andere Teil der Lehre vertrat die Meinung, dass der Ausgangspunkt für die Rückrechnung das Begehren um Eintragung des Gemeinschaftspfandrechts sei, während es für den Anfangszeitpunkt einzig auf die Fälligkeit der Beitragsforderung ankomme.[16]

Stellungnahme des Bundesgerichts bzgl. Berechnung der Dreijahresfrist

Nach Bundesgericht und Botschaft des Bundesrates, muss der Erwerber eines Stockwerkeigentums damit rechnen, dass sein Stockwerk mit dem Pfandrecht für Beiträge, die sein Vorgänger schuldig geblieben ist, belastet wird. Diese Last kann nicht mehr als drei solcher Jahresbeiträge umfassen[17]. Es handelt sich bei dieser Dreijahresfrist (zweckmässig) somit um Käuferschutz.[18]

Das Bundesgericht sagt, dass der in der Botschaft erwähnte Käuferschutz, nur bei Anwendung der zweiten Berechnungsmethode tatsächlich auf drei Jahresbeiträge beschränkt sei. Würden abgeschlossene Rechnungsjahre hinzugezogen werden, könnte mit dem Pfandanspruch nach dem Eigentumsübergang auch Beitragsforderungen gesichert werden, welche mehr als drei Jahre zurückliegen.[19]

Das Bundesgericht bestätigt, dass jener Lehrmeinung Vorzug zu geben sei, wonach die Dreijahresfrist durch Rückrechnung ab Stellung des Begehrens, um Eintragung des Gemeinschaftspfandrechts zu berechnen sei und nicht nach jener Lehrmeinung, welche die Frist mit Rechnungsjahren bestimmt.[20]

 

Konklusion

Schliesslich kann festgehalten werden, dass das Bundesgericht mit diesem Entscheid, erstmalig über die dreijährige Frist entscheiden musste. Es folgte dabei dem Berechnungsvorgang, welcher die Fälligkeit der Beitragsforderung als massgeblichen Zeitpunkt betrachtet, und nicht der anderen Lehrmeinung, bei welcher die Rechnungsjahre für die Berechnung der Dreijahresfrist massgeblich sind.

Es ist abzuwarten, wie die Lehre auf diesen Entscheid reagieren wird.


Literatur:

[1] Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 5. Aufl., 2017, Nr. 1013.

[2] Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 5. Aufl., 2017, Nr. 1016.

[3] BGE 116 II 275 ff. (278), E. 3b; Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 5. Aufl., 2017, Nr. 1014.

[4] BGE 132 III 9 ff. (11), E. 3.1; Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 5. Aufl., 2017, Nr. 1015.

[5] BGE 130 III 450 ff. (454), E.1.2.

[6] Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 5. Aufl., 2017, Nr. 1017; m.w.H. Rechtsbehelfe: Nr. 1017a ff.

[7] BGE 135 III 212 ff. (219), E. 3.2; Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 5. Aufl., 2017, Nr. 1023.

[8] Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 5. Aufl., 2017, Nr. 1025 ff.

[9] Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 5. Aufl., 2017, Nr. 1040.

[10] Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 5. Aufl., 2017, Nr. 1047.

[11] Wermelinger Amédéo / Wermelinger Noémie, SVIT-Schweizer Schriften zur Immobilienwirtschaft, Das Stockwerkeigentum Kommentar, 3. Aufl., 2023, N8 zu Art. 712i ZGB.

[12] Wermelinger Amédéo / Wermelinger Noémie, SVIT-Schweizer Schriften zur Immobilienwirtschaft, Das Stockwerkeigentum Kommentar, 3. Aufl., 2023, N55 f. zu Art. 712i ZGB.

[13] Wermelinger Amédéo / Wermelinger Noémie, SVIT-Schweizer Schriften zur Immobilienwirtschaft, Das Stockwerkeigentum Kommentar, 3. Aufl., 2023, N57 zu Art. 712i ZGB.

[14] BGer 5A_357/2022, 6.1.

[15] BGer 5A_357/2022, 6.2.1.1.

[16] BGer 5A_357/2022, a.a.O.

[17] Botschaft vom 07. Dezember 1962 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Abänderung des vierten Teils des Zivilgesetzbuches, BBl 1962 II 1518 f. zu Art. 712i bis l.

[18] BGer 5A_357/2022, E.6.2.1.8.

[19] BGer 5A_357/2022, E.6.2.1.8 f.

[20] BGer 5A_357/2022, E.6.2.1.12.



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